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Zurechnung von Inhalten wegen eines Hyperlinks?

OLG München 

Urteil vom 15.03.2002

21 U 1914/02

Tatbestand:


Die Parteien streiten um die Zulässigkeit einer Gegendarstellung zu einem Artikel in FOCUS Nr. 41 vom 8. Oktober 2001, S.14: "Milli Görüs. Mitglieder sollen Kalaschnikow kaufen".
Im Text dieses Artikels heißt es u.a.: "Die Islamische Gemeinschaft Milli Görüs (IGMG) hat ihre Gefolgsleute in Deutschland aufgefordert, Waffen zu kaufen. Vorzugsweise sei der Kauf einer AK 47 (Kalaschnikow) zu empfehlen, hieß es auf einer Website, auf der die Organisation zur Unterstützung der tschetschenischen Bevölkerung aufgerufen hatte. Der baden-württembergische Verfassungsschutz, der Milli Görüs als demokratiefeindlich einstuft, zitierte in seinem Jahresbericht 2000 aus diesem Aufruf.
Um den Umgang mit Waffen legal und unauffällig zu erlernen, sollen Mitglieder, wenn möglich, einem Schützenverein beitreten", hieß es. Fortgeschrittenen wird geraten, Vereinen beizutreten, "die den Umgang mit Waffen, zum Beispiel Schwert und Messer, vermitteln".
Dem tritt die Gegendarstellung entgegen.
Das Landgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Berufung des Verfügungsklägers. 

In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat die Verfügungsbeklagte neues Material zum Verhältnis des Verfügungsklägers als Dachverband zum Ortsverein Mannheim vorgelegt.

Entscheidungsgrunde


Dieses Urteil enthält eine kurze Zusammenfassung der Erwägungen, auf denen die Entscheidung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht beruht (§ 313 Abs. 3 ZPO). Die Kürze der Darstellung erklärt sich auch daraus, dass der  Streit im Termin zur mündlichen Verhandlung sachlich und rechtlich eingehend erörtert wurde (vgl. hierzu Thomas/Putzo ZPO, 23. Aufl., § 313 Rn. 27).
Die zulässige Berufung hat teilweise Erfolg.

1. Die Voraussetzungen des Art. 10 BayPrG liegen für die ersten drei Punkte der Gegendarstellung vor
a) Insbesondere fehlt nicht etwa das berechtigte Interesse, weil die Erwiderungen offensichtlich unwahr wären. Die Verfassungsschutzberichte sind keine öffentlichen Urkunden im Sinn von § 415 ZPO. Beweis über die Wahrheit von Erstmitteilung oder Erwiderung wird im Gegendarstellungsrechtsstreit nicht erhoben. Dies berechtigt zwar nicht dazu, mit der Gegendarstellung auf eine wahre Erstmitteilung unwahr zu entgegnen. Die Unwahrheit der Entgegnung steht vorliegend aber auf Grund der Verfassungsschutzberichte nicht in einem Ausmaß fest, dass dies vorliegend zu berücksichtigen wäre (vgl. dazu Seitz/Schmidt/Schoener, Der Gegendarstellungsanspruch, 3. Aufl., Rn. 254 ff. Offensichtliche Unwahrheit der Gegendarstellung).
b) Dem Anspruch steht auch nicht entgegen, dass ein Mitglied des Ortsvereins Mannheim einen Link auf eine Internetseite gesetzt hat, auf welcher die Äußerungen enthalten sind, auf die sich FOCUS stützt. Der Senat bejaht hier zwar eine Haftung des Homepagebetreibers für diesen Link, ohne dass es auf die Auslegung von § 5 TDG/§ 5 MDStV (oder jetzt: §§ 8 ff. TDG) ankäme (vgl. zur Linkhaftung, z. B. OLG Schleswig MMR 2001, 401 - Swabedoo mit ausführlicher Anmerkung von Schütz-Attendorn); OLG Hamburg ZUM 2001, 512 - Frame-Linking und OLG Braunschweig MMR 2001, 608 FTP-Explorer und aus der Literatur etwa Hoeren, Internetrecht (Internet-Skriptum) § 9; Sieber in Teil 19 Rn. 268 und Spindler in Teil 29 des Handbuchs Multimedia-Recht; Soehring, Presserecht, 3. Aufl., Rn. 28.17-28.17c; Waldenberger/Hoß, AfP 2000, 237, 243 f.). Der Linksetzer geht bewusst das Risiko ein, dass die Verweisungsseite später geändert wird; jedem Internetnutzer ist das Problem späterer Anderungen der Seite, auf welche verwiesen wird, bekannt. Der Linksetzer übernimmt mit seiner Verweisung eine Art "Internet-Verkehrssicherungspflicht". Diese Frage könnte aber auch offen bleiben. Der Durchschnittsleser versteht die Erstmitteilung dahin, dass der Verfügungskläger selbst oder jedenfalls maßgebliche Kreise des Verfügungsklägers zum Waffenkauf samt den genannten Einzelheiten aufgefordert haben. Davon kann nach dem Aktenstand keine Rede sein. Es handelt sich vielmehr um die Äußerung des Mitglieds eines Ortsvereins. Nach dem vorgelegten Urteil des LG Hamburg gibt es allein in Baden-Württemberg über 60 Ortsvereine der IGMG. Nach unbestrittener Behauptung des Verfügungsklägers hat der Ortsverein Mannheim etwa 150 Mitglieder. Der Verfügungskläger gliedert sich in Deutschland in 15 Regionalverbände. Bei einer solchen Konstruktion ist das einzelne Mitglied eines Ortsvereins so unbedeutend, dass sein Verhalten nicht dahin erweiternd dargestellt werden kann, der Verfügungskläger als Dachverband habe sich so geäußert.

Es ist auch nicht davon auszugehen, dass Herr S. beim Setzen des Links Vorstandsmitglied des Ortsvereins Mannheim war und sich hieraus eine Verantwortlichkeit des Verfügungsklagers ergibt. Zwar sind Unterlagen dafür vorgelegt worden, dass Herr S. (spätestens) seit 29.3.2001. Mitglied des Vorstands des Ortsvereins geworden ist. Das folgt aus dem Auszug aus dem Vereinsregister des Ortsvereins. Dass er es aber auch bei Setzen des Links oder auch nur bei Einstellen des Aufrufs auf der Verweisungsseite des Links gewesen wäre, ist nicht glaubhaft gemacht. Weil es um die Zurechnung des Links zum Verfügungskläger geht, entgegen der Ausgangslage, wie sie oben dargestellt ist, trägt die Glaubhaftmachungslast insoweit die Verfügungsbeklagte.

Abgesehen davon wäre der Link dem Verfügungskläger auch dann nicht ohne weitere Anhaltspunkte zuzurechnen, wenn Herr S. in einem maßgeblichen Zeitpunkt schon Mitglied des Vorstands der Ortsvereins Mannheim gewesen wäre. Der Durchschnittsleser versteht die Formulierung in der Erstmitteilung nicht dahin, dass es sich um eine Einzeläußerung in einem Ortsverein des Verfügungsklägers gehandelt hat. Daran ändert auch nichts, dass der Vorstand des Ortsvereins eins vom Vorstand des Verfügungsklägers ernannt wird (so das Protokoll zur Satzungsünderung vom 16.2.1997). Zu einer anderen Annahme sind zum einen die zeitlichen Abläufe zwischen Setzen des Links, Änderung der Verweisungsseite und Ernennung des Herrn S. völlig unklar. Und zum anderen wäre - bei einer Ernennung des Herrn S. zum Sekretär erst nach verantwortlichem Setzen des Links durch ihn unklar, ob dem Vorstand des Verfügungsklägers bei der Ernennung des Herrn S. zum Sekretär des Ortsvereins der Sachverhalt (Verweisung durch Link auf die Seite " ... de - Wie kann ich für den Jihad trainieren" bekannt gewesen ist. Dabei ist ohne Bedeutung, ob es sich bei der Seite, auf welcher der Link gesetzt wurde, um eine Homepage der Herrn S. oder eine solche des Ortsvereins handelte. Auch das Setzen des Links auf der Homepage des Ortsvereins mit dem Link auf die Homepage von ... de mit dem Aufruf, der Gegenstand des FOCUS-Berichts ist, berechtigt nicht zur Mitteilung dahin, der Verfügungskläger als Dachverband für Deutschland habe einen solchen Aufruf getan. Damit bestehen keine Einwendungen gegen die Formulierung der Entgegnungen.

c) Es sind auch nicht die Äußerungen in der Erstmitteilung unrichtig wiedergegeben. Der Durchschnittsleser muss davon ausgehen, dass FOCUS die Äußerungen zu dem Aufruf als eigene darstellt. Das ergibt sich aus der Bildunterschrift zur "Knarre", aus der Überschrift zum Artikel und auch aus dem Text selbst. Dann aber müssen die Behauptungen nicht durchgängig als Zitate aus Verfassungsschutzberichten dargestellt werden. Die Quelle kann, muss aber nicht mitgeteilt werden.

2. Unzulässig ist die Gegendarstellung zum vierten Punkt. Es ist nicht einmal behauptet, dass der badenwürttembergische Verfassungsschutz diese Einstufung mit diesen Worten vorgenommen bitte. Vorgelegt sind Äußerungen des Verfassungsschutzes, aus denen der Schluss auf eine Einordnung als "dernokratiefeindlich" gezogen werden könnte - Ein solcher Schluss ist aber, jedenfalls hier, (vgl. Seitz/Schmidt/Schoener, aaO., Rn. 398 ff.) als Meinungsäußerung einzustufen.

Die Unzulässigkeit dieses Punkts macht allerdings hier nicht nach dem Grundsatz "Ganz oder gar nicht" die Gegendarstellung insgesamt unzulässig. Es liegt eine Erklärung des Verfügungsklägers vor, nach welcher er selbst mit einer Streichung dieses Punkts (durch das Gericht) einverstanden ist. Deshalb kann der Senat den Antrag zu diesem Punkt, der als selbstständiger Punkt anzusehen ist, abweisen (Senat, AfP 1998, 523 - Tierschutzliga; vgl. Seitz/Schmidt/Schoener, aaO., Rn. 739). Die Ermächtigung, vorgelegt in 1. Instanz, gilt auch für den Senat; sie ist nicht etwa auf die 1. Instanz beschränkt.

 

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