Erstellung einer Linksammlung nach UrhG
geschützt?
Amtsgericht Rostock
Urteil vom 20.02.2001
Entscheidungsgründe:
I. Die Klage ist zulässig, jedoch nur zum Teil begründet.
1. Die Kläger haben einen Anspruch auf Zahlung von 120,06 DM aus den §§
677, 683
Satz 1, 670 Bürgerliches Gesetzbuch
(BGB).
a) Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass die Kosten einer
berechtigten Mahnung
dem Abmahnenden nach den
Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag zu ersetzen sind
(vgl. BGHZ 52, 394; BGH NJW 1984, 2525; BGHZ 115, 210). Zwar haben die
zitierten Urteile jeweils eine Erstattung von Abmahnkosten wegen
Wettbewerbsverstößen nach dem UWG zum
Gegenstand. Die in den Urteilen aufgestellten Grundsätze finden
jedoch auch dann Anwendung, wenn jemand wegen der Verletzung eines Urheberrechts
vom Verletzenden abgemahnt wird (vgl. Nordemann/Nordemann,
Urheberrecht, Kommentar, 9. Aufl., § 97 Rz.
62).
b) Der Beklagte hat die Kläger in ihrem Recht aus § 87 b Abs. 1 Satz 1 2.
Alt. Urheberrechtsgesetz
(UrhG) verletzt, da
dieser einen nach Umfang wesentlichen Teil der Linksammlung der
Kläger vervielfältigt und öffentlich wiedergegeben hat.
aa) Die Linksammlung der Kläger ist eine Datenbank im Sinne von § 87 a Abs.
1 S. 1 UrhG.
Eine Datenbank ist nach der
Legaldefinition dieser Vorschrift eine Sammlung von Werken, Daten
oder anderen unabhängigen Elementen, die systematisch oder methodisch angeordnet
und einzeln mit Hilfe elektronischer Mittel oder auf andere Weise zugänglich
sind und deren Beschaffen, Überprüfung und
Darstellung eine nach Art und Umfang wesentliche Investition
erfordert. Die Linkliste des Klägers stellt eine Sammlung von Daten dar.
Sie ist methodisch angeordnet, die einzelnen Links sind verschiedenen Kategorien
zugeordnet und einzeln zugänglich.
bb) Die Erstellung der Linksammlung erforderte auch eine wesentliche
Investition der Kläger
im Sinne von § 87 a
Abs. 1 Satz 1 UrhG. Wann eine Investition als
wesentlich anzusehen ist, wird vom Gesetz nicht definiert. Entgegen
der Auffassung des Beklagten geht das Gericht jedoch davon aus, dass an die
Wesentlichkeit der Investition im Sinne von § 87 a Abs. 1 Satz 1 UrhG keine
besonders hohen Anforderungen zu stellen
sind. Auf das Urteil des LG Köln (CR 2000,
400), das sich speziell auch mit der Frage
der Wesentlichkeit einer Investition bei der Erstellung einer Linksammlung
auseinandersetzt, kann dabei nicht ohne
Weiteres zurückgegriffen werden. Die
Linksammlung wurde in diesem Fall aus einer relationalen Datenbank gespeist und
konnte für die Frage der Wesentlichkeit der
Investition nur im Zusammenhang mit dieser relationalen
Datenbank gesehen werden. In der Literatur
wird der Begriff „wesentlich" im Sinne von § 87 a Abs. 1 Satz 1 UrhG
nicht einheitlich ausgelegt. Einerseits wird davon
ausgegangen, dass allein aus dem Begriff „wesentlich"
schon folge, dass irgendeine Investition von Geld, Zeit und Mühe nicht
genügen kann. Die Investition müsse substantielles Gewicht haben (Nordemann/
Hertin a.a.O., § 87 a Rdnr. 9, so auch LG Köln
a.a.O.). Andererseits soll unter einer
erheblichen Investition der Aufwand verstanden werden, der
mit einem Mindestmaß an Arbeitsaufwand und wirtschaftlicher Investition
betrieben wurde und dem Leistenden eine
wirtschaftlich verwertbare Position verschafft. Für die Ermittlung
der Investitionshöhe soll der Grundsatz des britischen Rechts „What's worth
copying is prima facie worth protecting"
herangezogen werden (vgl. Köhler, ZUM 1999, 554;
Kindler, K&R 2000, 271; Gleisner, GRUR 1999, 831). Das
Gericht schließt sich der zweiten Auffassung an. Den
Erwägungsgründen zur Richtlinie 96/9/EG des Europäischen Parlaments und des
Rates vom 11. März 1996 über den rechtlichen
Schutz von Datenbanken, in dessen Folge durch
den deutschen Gesetzgeber unter anderem die §§ 87 a ff. in das UrhG
eingeführt wurden, ist nicht zu entnehmen,
dass die Schwelle für eine wesentliche Investition besonders
hoch anzusetzen sei. Speziell im
Erwägungsgrund 40, der das in den §§ 87 a ff. UrhG normierte Schutzrecht
sowie sui generis zum Inhalt hat, ist der Begriff
der Investition nicht näher spezifiziert. Lediglich
der Erwägungsgrund 19 sagt insoweit aus, dass normalerweise die Zusammenstellung
mehrerer Aufzeichnungen musikalischer Darbietungen
auf einer CD auch keine erhebliche
Investition im Sinne eines Schutzrechtes sui generis darstelle. Dabei sei
zu berücksichtigen, dass sämtliche Aufzeichnungen bei ihrer Zusammenstellung
auf einer CD sowie bei Nutzungsberechtigten
in der Regel bereits vorhanden sind, und die Zusammenstellung
dadurch lediglich einer minimalen zeitlichen Investition bedarf. Der Zusatz
„normalerweise" deutet allerdings auch auf schutzwürdige Ausnahmen hin.
Zur Auslegung des Begriffes der Wesentlichkeit muss
auch auf den Regelungszweck und den Charakter
des Datenbankschutzgesetzes zurückgegriffen werden (vgl. Möhring/Nikoleisen,
Urheberrechtsgesetz 2000, § 87 a Rdnr. 11). Dabei
ist von einer großen Bedeutung der Datenbanken für die Entwicklung des
Informationsmarktes auszugehen (vgl.
Erwägungsgrund 9). Sollte der sich mit diesem Gesetz bezweckte
Investitionsschutz als auch der Investitionsanreiz (vgl. Erwägungsgründe
7 und 12) „nur" auf Hersteller besonders
umfangreicher und in ihrer Herstellung besonders zeitaufwendiger
Datenbanken erstrecken, geht dieses an der Bedeutung kleinerer Datenbanken
für die Entwicklung des Informationsmarktes vorbei. Es
ergibt sich schon aus der Natur der Sache, dass Datenbanken aus bestimmten
Bereichen aufgrund einer begrenzten
Datenmenge keinen großen Umfang erreichen können und
ihre Erstellung keinen immensen Zeitaufwand erfordert. Doch auch sie leisten
der Entwicklung des Informationsmarktes Vorschub,
sind mithin schutzwürdig. Ein Hersteller von
mehreren unabhängigen Kleindatenbanken muss sich ebenso schützen können
wie der Hersteller einer großen Datenbank. Auch
ist eine Monopolisierung gemeinfreier Information nicht zu befürchten (so aber
Nordemann/Hertin a.a.O., § 87 a Rdnr. 9).
Einerseits sind und bleiben gemeinfreie Informationen nach wie vor gemeinfrei,
können mithin auch von jedermann gesammelt und in einer
Datenbank zusammengestellt werden. Andererseits
besteht die Gefahr der Monopolisierung gerade dann, wenn Hersteller kleinerer
Datenbanken jeglichen Investitionsanreiz verlieren,
da sie sich vor unerlaubter Vervielfältigung
nicht ausreichend schützen können. Es
widerspräche auch jeder Logik, sollte mit der Veröffentlichung einer Datenbank
so lange gewartet werden müssen, bis ein
gewisser Umfang erreicht ist und Schutzrechte bestehen.
Viele kleine Datenbanken sollen oder können erst mit der Zeit vergrößert
werden. Der Förderung des Wettbewerbs zwischen
Datenbankherstellern (vgl. Erwägungsgrund 47)
käme dieses mit Sicherheit nicht zu Gute.
Außer Zweifel steht allerdings auch, dass für ganz einfache
Datensammlungen, wie etwa
ein kleines
privates Adressverzeichnis oder eine eher zufällig entstandene kleine Sammlung
von „bonmots" ein Schutzrecht sui generis nicht besteht (Nordemann
/Nordemann, a.a.O., § 4 Rdnr. 2; Gleisner, a.a.O.,
S. 830). Um eine solche einfache
Datensammlung handelt es bei der Linksammlung des Klägers jedoch
nicht. Die Investition bestand hier im Wesentlichen in der Beschaffenheit der
Daten (Links für die Linksammlung). Wie viel
Zeit und Mühe konkret für die Erstellung der Linksammlung
aufgewandt wurde, ist dabei nicht entscheidend. Die Kläger konnten insoweit
jedenfalls glaubhaft machen, dass zumindest eine
nicht nur minimale Investition notwendig war.
c) Diese Datenbank hat der Beklagte in einem nach Umfang wesentlichen Teil
vervielfältigt
und damit das Recht der
Beklagten aus § 87 b Abs. 1 Satz 1 2. Alternative UrhG verletzt. Beim
Vergleich der beiden Linksammlungen ist festzustellen, dass sie zwar nicht zu
100% übereinstimmen, eine Übereinstimmung aber
doch in wesentlichen Teilen zu finden ist.
Nahezu sämtliche Links und Kategorien der Linksammlung des Beklagten finden
sich in der Linksammlung der Kläger wieder. Die
Übereinstimmung betrifft zum einen die Wahl
und die Bezeichnung der Kategorien. Sehr auffällig sind dabei
Übereinstimmungen der Kategorien „Schönheitspflege,
Erholung, Fitness" sowie „sonstige Firmen und Vereine", zumal
in der Linksammlung des Beklagten auch eine weitere Kategorie „Vereine"
zu finden ist. Zum anderen sind die
übereinstimmenden Bezeichnungen der Links, wie z.B. „..........
im Überblick I" oder „Übersicht I Gaststätten" und die
Reihenfolge ihrer Anordnung sehr prägnant,
hierbei insbesondere die übereinstimmende farbliche Absetzung des
Links „.......... Friseur- und Kosmetiksalon". Dem
Beklagten ist es nicht gelungen, einen bestehenden Anscheinsbeweis, dass diese
Linksammlung des Klägers von ihm in einem
wesentlichen Teil vervielfältigt wurde, zu entkräften.
Die Linksammlung der Kläger besteht seit Anfang August 1998 und ist seit
dieser Zeit im Internet zugänglich. Die
Linksammlung des Beklagten wurde im Mai 1999 auf die Domain ..........
übertragen. Die Behauptungen des Beklagten
dahingehend, dass seine Linksammlung sich vorher schon
auf dem Server der Hochschule .......... oder beim Internet des Beklagten
befand, sind unsubstantiiert. Gegen
den Beklagten spricht außerdem die Tatsache, dass seine Linksammlung nach
Abmahnung inhaltlich verändert wurde. Ob
hier eine private Nutzung des Beklagten vorliegt, braucht nicht entschieden zu
werden. § 87 c UrhG ist für das Schutzrecht
aus §§ 87 a ff. UrhG lex specialis gegenüber den
§§ 45 ff. UrhG (vgl. Nordemann/Hertin, § 87 c Rdnr. 3). §
87 c Abs. 1 Nr. 1 2. HS UrhG normiert ausdrücklich, dass eine Vervielfältigung
wesentlicher Teile an der Datenbank, deren
Elemente einzeln mit Hilfe elektronischer Mittel zugänglich sind,
zum privaten Gebrauch nicht zulässig sind.
d) Mit der Abmahnung des Beklagten durch den Kläger zu 1) nahm dieser eine
Geschäftsbesorgung
im Sinne von § 677 BGB
im Interesse des Beklagten vor. Allein aus der Tatsache einer
Urheberrechtsverletzung folgt nahezu grundsätzlich auch die Gefahr ihrer
Wiederholung (Nordemann/Nordemann, a.a.O., § 97 Rdnr.
22). Diese Gefahr lässt sich in der Regel
nur durch die Abgabe eines strafgesicherten Unterlassungsversprechens des
Verletzers beseitigen (BGH NJW 1981, 1955 für einen
Wettbewerbsverstoß). In der Gefährdung des
Urheberrechts liegt aber auch immer eine Beeinträchtigung (Nordemann/Hertin
a.a.O., § 87 a Rdnr. 30), die der Verletzte auf seine Kosten zu beseitigen
hat. Nimmt der Verletzte diese Aufgabe wahr, so
besorgt er eine an sich zum Aufgabenkreis des
Verletzers gehörende Tätigkeit. Zwar beseitigt die Abmahnung die
Beeinträchtigung nicht, sie macht allerdings auf die Verletzung aufmerksam,
derer sich der Verletzer vorher womöglich
gar nicht bewusst war. Die
Geschäftsübernahme entspricht auch dem Interesse und dem mutmaßlichen Willen
des Verletzers im Sinne von § 683 Satz 1 BGB, denn
mit der Abmahnung erhält der Verletzer regelmäßig
die Gelegenheit, eine strafgesicherte Unterlassungserklärung anzuerkennen
und damit einen eventuell kostspieligen Rechtsstreit
zu vermeiden. Ob ein Unterlassungsanspruch dann
auch gerichtlich geltend gemacht wird, liegt allein im Ermessen des
Verletzten. Ein Anspruch des Verletzten aus §§ 677, 683 Satz 1, 670 BGB
besteht davon unabhängig, für diesen ist
das Vorliegen einer Rechtsverletzung ausschlaggebend.
e) Der Beklagte hat gemäß § 670 BGB die Aufwendungen der Kläger für die
Abmahnung
zu ersetzen. Die
Aufwendungen sind in Höhe der eingeklagten Summe jedoch nicht begründet.
Gemäß § 670 BGB sind nur solche
Aufwendungen zu ersetzen, die nach den Umständen für
erforderlich gehalten werden durften. Zwar durften sich die Kläger für die
Abmahnung des Beklagten der Hilfe eines
Rechtsanwalts bedienen, da das Aufsetzen eines solchen Schreibens
für juristische Laien schwierig ist. Doch die den Klägern in Rechnung
gestellte mit der Abmahnung des Beklagten
angefallene Gebühr des Rechtsanwalts, die als Aufwendung
geltend gemacht wird, ist in ihrer Höhe keine Aufwendung, die der Beklagte
nach den Umständen für erforderlich halten durfte.
So ist die Gebühr in dieser Höhe nicht
gerechtfertigt. Insbesondere hinsichtlich des angenommenen Streitwertes
von 10.000,- DM bestehen Bedenken. Zwar ist
der Streitwert einer Abmahnung nach dem Streitwert der Hauptklage zu bemessen.
Unzulässig war es jedoch, den Streitwert unter
Hinweis auf das Urteil des LG Köln mit
10.000,- DM zu bemessen. Denn das mit der Unterlassungsklage verfolgte Interesse
in dem durch das Landgericht Köln entschiedenen
Fall war erheblich höher anzusetzen, weil
die dort streitgegenständliche Linksammlung Verweise auf das gesamte
Bundesgebiet enthielt und einen bedeutend
größeren Nutzerkreis ansprach. Nach § 3
ZPO ist der Streitwert vorliegend von dem Gericht nach freiem Ermessen
festzusetzen, wobei bei Unterlassungsklagen
die Beeinträchtigung zu schätzen ist, die von dem
beanstandeten Verhalten des Gegners verständigerweise zu besorgen ist. Diesen
Wert schätzt das Gericht vorliegend auf 1.000,- DM.
Dementsprechend konnte der Beklagte auch nur Kosten
in Höhe von 120,06 DM nach den Umständen
für erforderlich halten. Die für die Abmahnung des Beklagten aufgewendeten
Kosten der Kläger, die darüber hinausgehen, sind
daher nicht erstattungsfähig, die Klage
daher zum überwiegenden Teil abzuweisen.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 ZPO, die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit