Explorer-Link:
Markenrechtliche Unterlassungsansprüche nach § 14 MarkenG?
Landgericht Braunschweig
Urteil vom 6.9.2000, Az. 9 O
188/00 (027) - FTP Explorer
In
dem Rechtsstreit ... hat die 9. Zivilkammer
des Landgerichts Braunschweig auf die mündliche Verhandlung vom 02.08.2000
durch ... für Recht erkannt:
Die
Klage wird abgewiesen.
Die
Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.
Das
Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 6.000,-- DM, die auch durch
unwiderrufliche, selbstschuldnerische Bürgschaft eines im Inland als Zoll- oder
Steuerbürgen anerkannten Kreditinstituts erbracht werden kann, vorläufig
vollstreckbar.
Streitwert:
100.000,-- DM.
Tatbestand
Mit
der Klage begehrt die Klägerin Feststellung, daß sie unter Verwendung des
Zeichens "FTPX-Explorer" im Internet Hyperlinks setzen darf, die
zu dem amerikanischen Hersteller der Software und zu einer Uni in Norwegen führen
und von denen aus der "FTP Explorer" kostenlos heruntergeladen werden
kann.
Die
Klägerin ist Inhaberin der Internet-Domain "http://www....de". In
einer Unterrubrik unter der Bezeichnung "ossi" stellt sie Studenten
einen Teil ihrer Domain zur Verfügung. Im Quellcode dieser Datei wird auf das
Computerprogramm "FTP-Explorer" des amerikanischen
Software-Herstellers FTPX Corporation hingewiesen und drei sogenannte Hyperlinks
auf die Uni Trondheim in Norwegen und den amerikanischen Software-Hersteller
FTPX gesetzt, von denen aus der "FTP-Explorer" kostenfrei
heruntergeladen werden kann.
Die
Beklagte ist Inhaberin der Wortmarke "Explorer" die sie lizenzweise
auch dem amerikanischen Software-Hersteller Microsoft für deren "Internet-Explorer"
zur Verfügung gestellt hat (Anlage B17). Mit Schreiben vom 11.01.2000 hat die
Beklagte die Klägerin wegen der Benutzung ihrer Marke "Explorer"
abgemahnt, die Klägerin hat Ansprüche der Beklagten zurückgewiesen.
Die
Klägerin behauptet,
"Explorer"
sei seit den 80'er Jahren ein Gattungsbegriff. Zudem werde die Marke der Klägerin
durch 400 Einträge in Suchmaschinen verwässert. Auch sei der Inhalt des
Servers "ossi" inzwischen vollständig gelöscht. Sie ist weiter der
Ansicht, daß sie nicht im geschäftlichen Verkehr handele, wenn sie einen
Hyperlink im Internet setze. Für die Studenten, die den Hyperlink gesetzt hätten,
sei sie nicht verantwortlich, da sie ihre Prüfpflichten nicht verletzt habe.
Zumindest sei ihre Verantwortlichkeit nach § 5 Abs. 2 TDG ausgeschlossen.
Schließlich werde die Marke der Beklagten durch die Nutzung der Marke
,,Explorer" durch Microsoft ohne einen Lizenzhinweis geschwächt und
"Explorer" sei zudem auch nur beschreibend. Eine Verwechslungsgefahr
zwischen "FTPX-Explorer" und "Explorer" bestehe nicht.
Die
Klägerin beantragt,
festzustellen,
daß die Verwendung des Kennzeichens FTP-Explorer durch die Klägerin auf einer
Homepage unter gleichzeitiger Setzung eines Hyperlinks auf die Homepage des
amerikanischen Herstellers der Software "FTP-Explorer" oder eines
anderen Internet-Verzeichnisses, von dem aus die Software "FTP-Explorer"
bezogen werden kann, keine Rechte der Beklagten verletzt.
Die
Beklagte beantragt,
die
Klage abzuweisen.
Sie
weist unter Berufung auf ein eingeholtes Gutachten (Anlage B13) auf die
Bekanntheit der Marke ,,Explorer" und die Störerhaftung des ,,Mitstörers"
hin.
Hinsichtlich
der weiteren Einzelheiten auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze
verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die
Klage ist unbegründet. Der
Klägerin steht der Anspruch auf negative Feststellung nicht zu, da das von ihr
begehrte Setzen eines Hyperlinks mit der Kennzeichnung "FTP-Explorer"
Markenrechte der Beklagten aus §§ 14 Abs. 4, 4 MarkenG verletzen würden.
Entgegen
der Ansicht der Klägerin sind zunächst die markenrechtlichen
Unterlassungsansprüche nach § 14 MarkenG, die ein Handeln im geschäftlichen
Verkehr erfordern, anwendbar, da das Setzen eines Hyperlinks mit der Bezeichnung
"FTPX-Explorer" ein Handeln im geschäftlichen Verkehr darstellt.
Der Klägerin ist zwar zuzugeben, daß
ihr eigenes Handeln als Fachhochschule nicht als Teilhabe am geschäftlichen
Verkehr zu werten ist. Nach dem weiten Mitstörerbegriff (Teplitzki,
Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, 7. Aufl., kap. 14, Rn. 7) nimmt sie beim
Setzen eines Hyperlinks auf den "FTP-Explorer" jedoch dadurch am geschäftlichen
Verkehr teil, daß sie fremden Wettbewerb, nämlich der FTPX-Corporation fördert.
Als Störer haftet - grundsätzlich unabhängig von Art und Umfang seines
eigenen Tatbeitrags - jeder, der in irgendeiner Weise willentlich und adäquat
kausal an der Herbeiführung der rechtswidrigen Beeinträchtigung mitgewirkt
hat, wobei als Mitwirkung auch die Unterstützung oder Ausnutzung der Handlung
eines eigenverantwortlichen Dritten genügt, sofern der in Anspruch Genommene
die rechtliche Möglichkeit zur Verhinderung dieser Handlung hatte (BGH GRUR
1991, 769, 770 - "Honoraranfrage"). Als Software-Hersteller ist die
FTPX-Corporation im geschäftlichen Bereich tätig und nutzt hierbei auch das
von ihr entwickelte Programm "FTP-Explorer". Durch Nennung des Namens
der FTPX-Corporation und ihres Programmes "FTPX-Explorer" mit der sog.
"Download" - Möglichkeit fördert die Klägerin daher Namen und
Bekanntheit dieses amerikanischen Software-Herstellers. Würde die amerikanische
FTPX-Corporation selbst im Geltungsbereich des Markengesetzes die Bezeichnung
"FTPX-Explorer" in irgendeiner Weise einführen - durch Werbung oder
Anbieten des Produktes oder Setzen eines Hyperlinks mit Download-Möglichkeit -
wäre sie ohne weiteres als Hauptstörer anzusehen. Die Beihilfe der Klägerin
liegt dabei darin, daß sie im Geltungsbereich des Markengesetzes auf außerhalb
dieses Geltungsbereiches liegende Möglichkeiten zum ,,Download" des
"FTP Explorers" hinweist.
II.
Der Unterlassungsanspruch der Beklagten ergibt sich aus § 14 Abs. 5 MarkenG, da
die Beklagte unstreitig über die eingetragene Marke ,,Explorer" verfügt
und zwischen dieser Marke und dem Zeichen ,,FTP Explorer"
Verwechslungsgefahr besteht.
1.)
Bei der Bezeichnung "FTP-Explorer" handelt es sich zwar um ein
sogenanntes Gesamtzeichen so daß für die Verwechslungsprüfung grundsätzlich
die Zeichen "FTP-Explorer" und "Explorer" in ihrer
Gesamtheit einander gegenüberstellen zu stellen sind, weil sie sich so auch am
Markt begegnen (BGH GRUR 1996, 198, 199 -"Springende Raubkatze"). Eine
Ausnahme von diesem Grundsatz besteht jedoch dann, wenn innerhalb eines
Gesamtzeichens ein Zeichenbestandteil derart bestimmend ist, daß er den
Gesamteindruck des Zeichens prägt (BGH GRUR 1996, 406, 407-"Juwel").
Innerhalb des Gesamtzeichens "FTP-Explorer" ist jedoch der Bestandteil
"Explorer" das eindeutig prägende Zeichen, da bereits der Bestandteil
,,FTP" entgegen der Bezeichnung ,,Explorer" nicht aussprechbar ist und
schon deshalb geringere Kennzeichnungskraft aufweist. Zudem wirkt FTP -
letztlich auch zutreffend - lediglich als Herstellerhinweis, so daß er zur
Kennzeichnung nicht entscheidend beiträgt (BGH GRUR 1996, 404 - "Blendax-Pep").
Schließlich ist im Rahmen der Verwechslungsprüfung auch die sog.
Wechselwirkungstheorie des Bundesgerichtshofes (Fezer, Markenrecht, 2. Auflg.,
§ 14 Rn 335) zu berücksichtigen: Danach kann eines der Merkmale Identität des
Zeichens oder Warenähnlichkeit weniger stark ins Gewicht fallen, wenn bereits
andere Merkmale überdurchschnittlich vorliegen. Aufgrund der Produktidentität
zwischen den Leistungen der FTPX-Corporation und den für die Marke der
Beklagten angemeldeten Warengruppen würden daher auch geringe Unterschiede
zwischen den Zeichen nicht ins Gewicht fallen.
2.)
Aufgrund der Eintragung der Marke der Beklagten kann sich die Klägerin auch
nicht darauf berufen, die Bezeichnung ,,Explorer" sei ausschließlich
beschreibend, da das angerufene Gericht als Verletzungsgericht an die
Eintragungsentscheidung gebunden ist (Fezer, aaO, § 8 Rn 21). Ebenso scheidet
eine Anwendbarkeit des § 23 Ziffer MarkenG, nach dem die Verwendung einer rein
beschreibenden Marke ausnahmsweise zulässig ist, keine Anwendung. Die
Vorschrift des § 23 Ziffer 2 MarkenG erlaubt zwar die Benutzung einer
beschreibenden Marke zur Beschreibung von Waren oder Dienstleistungen, nicht
dagegen die Benutzung im Sinne einer Marke (Fezer, aaO, § 23 Rn 10). Die
Benennung eines Sofiwareprogrammes mit ,,FTPX-Explorer" ist aber nicht rein
beschreibend' sondern erfolgt markenmäßig' da das Programm mit
"Explorer" namensmäßig bezeichnet wird.
3.)
Schließlich kann sich die Klägerin angesichts des von ihr gestellten Antrages
auch nicht darauf berufen, sie sei für Handlungen ihrer Studenten nicht
verantwortlich. Mit dem gestellten Antrag begehrt die Klägerin ausdrücklich
die Feststellung, es verletze keine Rechte der Beklagten, wenn sie - d. h. die
Klägerin selbst - Hyperlinks mit der Bezeichnung "FTPX-Explorer" auf
Server der Uni Trondheim oder der FTPX-Corporation setze. Sie begehrt dagegen
nicht, festzustellen, daß sie für Handlungen ihrer Studenten auf ihrem Server
oder ihrer Domain nicht verantwortlich sei. Insofern erübrigen sich Ausführungen
zu § 5 Abs. 2 TDG.
Insgesamt
ist daher festzustellen, daß das Setzen von Hyperlinks mit "FTP-Explorer"
durch die Klägerin Rechte der Beklagten aus §§ 14, 4 MarkenG verletzen würde,
so daß die negative Feststellungsklage der Klägerin abzuweisen war.
Die
Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in § 709 S.1 ZPO.
Gemäß
§ 3 ZPO war der Streitwert nach § 3 ZPO danach zu bemessen, welcher Anspruch
mit der negativen Feststellungsklage abgewendet werden sollte. Im Falle
negativer Feststellungsklagen erreicht der Streitwert die Höhe des Anspruches,
der mit der negativen Feststellungsklage abgewehrt werden sollte (Zöller-Herget,
ZPO, 21,. Auflg., § 3 ZPO, Rn 16 ,,Feststellungsklagen").
Angesichts
der seit langem eingeführten Marke und der kommerziellen Nutzung., z. B. durch
Lizensierung für Microsoft, war das Interesse der Beklagten daran, daß
Hinweise auf kostenlose Downloadprogramme unter der Bezeichnung ,,FTPX-Explorer"
unterbleiben, nach Ansicht der Kammer mit 100.000,-- DM angemessen zu
beurteilen.
(Das
Urteil wurde vom OLG Braunschweig aufgehoben)